Hinter den Kulissen
Meine schönsten Funde
Schmuckstücke, die mir in besonderer Erinnerung geblieben sind
von Simon Michael Hofer
ine meiner liebsten Beschäftigungen ist es, in Aktionskatalogen und auf Antikmärkten nach besonderen Schätzen zu suchen. Unter der Vielzahl der angebotenen Dinge gibt es fast immer einzelne Objekte, die durch ihre handwerkliche Qualität oder ihr Alter meine Neugierde wecken. Auch wenn ich zunächst selbst manchmal noch gar nicht weiß, um was es sich ganz genau handelt.
Der Schimpanse aus Achat
Zu den schönsten Fundstücken dieser Suche zählt ein kleiner Schimpanse aus graviertem Achat, der mehr schlecht als recht beschrieben in einer Auktion in Köln mein Interesse erweckte. Die Qualität der kleinen Skulptur war hervorragend. Seine Augen bestanden aus Diamanten im Rosenschliff und die naturgetreue Wiedergabe des Fells ließ mich mitbieten. Schließlich wurde mir das ungewöhnliche Tier zugeschlagen.
Zurück in Berlin konnten wir mit der Recherche beginnen und eine nahezu identische Skulptur in der Sammlung Queen Elizabeths in Windsor Castle ausfindig machen. Es handelte sich um eine Figur aus dem Sortiment von Carl Fabergé!
Mit dieser Zuschreibung fand auch unser Affe einen Platz in einer bedeutenden chinesischen Sammlung kostbarer Tierskulpturen.
Das Diadem aus Schweden
Ein Ausflug nach Stockholm brachte mich vor einigen Jahren mehr oder weniger zufällig in den Auktionssaal einer großen Schmuckversteigerung. Ich registrierte mich, schaute mir das Geschehen an und kaufte was mir gefiel. Darunter war ein kleines goldenes Diadem mit großen natürlichen Perlen aus dem Jahr 1820.
Seine letzte Besitzerin hatte zu dem Schmuckstück einen kleinen Zettel hinterlassen, auf dem sie alle ihr bekannten, ehemaligen Trägerinnen des Stückes aufgelistet hatte. Das Diadem war über Generationen weitergegeben worden. Denn da es von Mutter zu Tochter wanderte, konnte es nicht lange in einer einzigen Familie bleiben – es folgte vielmehr dem Weg der Töchter in immer wieder neue Familien hinein. Dass sich diese Geschichte nachvollziehen ließ, macht das mehr als 200 Jahre alte Objekt zu einem Zeitzeugen und zu einem wohlgehüteten Schatz, von dem man sich wünscht, er könnte selbst davon erzählen.
Als Kunsthistoriker im Handel ist man das Bindeglied zwischen einem Objekt und seinem nächsten Besitzer. Doch wie schafft man es, Interesse zu wecken und die Schmuckstücke so für die nächsten Generationen erhalten und weiterzugeben zu können? Meiner Erfahrung nach gelingt dies umso besser, je mehr man über einem Objekt zu erzählen weiß, je interessanter und spannender die Geschichte des Gegenstandes wird. Deshalb ist es unser Ziel, den Zugang zu den historischen Schmuckstücken leichter zu machen und dabei möglichst viele Türen und Fenster zu öffnen, die einen Blick auf die Geschichte der Objekte zulassen.
Der Ring aus dem Mittelalter
Für mich persönlich sind Schmuckstücke aus dem Mittelalter besonders faszinierend – nicht nur, weil sie so selten sind, sondern auch, da sie einen frühen Welthandel bezeugen, der unserer Vorstellung vom „dunklen Mittelalter“ grundlegend widerspricht. Ein Ring, den wir Minnesängers Morgengabe genannt haben, ist mir besonders im Gedächtnis geblieben. Es handelte sich um ein tragbares und gleichsam museales Schmuckstück aus der Epoche der gotischen Kathedralen, der Ritter und Edelleute.
Der Ring aus hochkarätigem Gold hielt einen dunkelblauen Saphir im Cabochonschliff in seiner Mitte. Er datierte in die Jahre, in denen Marco Polo (1254–1324) von Venedig aus Indien bereiste. Der Stein war somit ein sprechender Beleg dafür, dass Saphire bereits im 14. Jahrhundert von weltreisenden Kaufleuten nach Europa importiert wurden.
Die Form des Rohsteines war ausschlaggebend auch für die Form des Ringes selbst. Keiner der erhaltenen Ringe dieser Art, die sich meist in Museen befinden, ist wie der andere, denn immer bestimmt die Form des nur wenig geschliffenen Edelsteines die Form des Ringkopfes. Die Gestaltung des Ringes war dabei eng verwandt mit der damals zeitgenössischen Architektur: Der Ringkopf mit seinem beinahe spiegelbildlich angelegten Unterbau und klar definierten Kanten erinnerte an den Schlussstein eines mittelalterlichen Mauerwerksbogens.
Das Collier von René Boivin
Manchmal entdecke ich bei meiner Suche nach spannenden Schmuckstücken aber auch Objekte, mit denen es die Geschichte nicht so gut gemeint hat. Diese versuchen wir mit unserem Team aus spezialisierten Handwerkern zu retten und wieder zu dem zu machen, was sie ursprünglich waren. Wenig gelungene Umbauten oder schlechte Reparaturen versuchen wir, zu einem Besseren zu wenden.
Aus dem Besitz eines befreundeten Auktionators im Londoner Stadtteil Notting Hill kam vor einiger Zeit ein Collier von einem der bekanntesten Goldschmiede Frankreichs zu uns. Das aus Gold und spinatgrüner Jade bestehende Collier von René Boivin (1864–1917) wirkte zwar ein wenig sonderbar, aber seine gute Herkunft hat es mich dennoch kaufen lassen.
Japanische Farbholzschnitte hatten bildende Künstler in Paris bereits im späten 19. Jahrhundert nachhaltig beeinflusst. Die dort gezeigte, exotische Vegetation und ihre flächige und reduzierte Darstellung prägte die Entwicklung des Jugendstils entscheidend mit. Boivin nahm diese Merkmale auf, als er das Collier mit der zauberhaften Darstellung von Kirschblüten auf knorrigen Ästen entwarf. Sein Entwurf ist darin auf der Höhe des Kunstschaffens seiner Zeit.
Eine Recherche zur Entstehungszeit des ungewöhnlichen Schmuckstücks führte zu einem überraschenden Fund: Einer Abbildung unseres Kirschblüten-Colliers in einer Publikation aus dem Jahr 1911! Sie zeigte uns, dass das Collier im Laufe seiner Geschichte verändert worden war. Drei seiner Jadetropfen fehlten. Vielleicht war es einer geänderten Mode angepasst worden, doch leider war diese Veränderung nicht überzeugend gemacht. Tatsächlich war dieser Umbau auch der Grund für meine anfängliche Irritation, denn das Gesamtbild wirkte nicht mehr stimmig.
Schmuckstücke wurden in der Vergangenheit oft angepasst, immer dann, wenn sich Trageweisen änderten und modische Strömungen vorhandene Dinge unmodern erscheinen ließen. Manchmal sind diese Umbauten und Veränderungen irreversibel, manchmal aber ist es möglich, zur ursprünglichen Gestaltung zurückzukehren.
Auf Grundlage der Abbildung aus dem Entstehungsjahr des Schmuckstücks haben wir von unserem Edelsteinschleifer in Idar-Oberstein neue Jadetropfen schleifen lassen, die in Material, Größe und Form exakt den originalen Steinen entsprachen. So konnten wir dem veränderten Collier sein originales Erscheinungsbild zurückgeben und der ursprünglichen Idee des Künstlers Rechnung tragen.
Der Ring aus dem Westenknopf
In einem anderen Fall haben wir uns allerdings dazu entschieden, eine spätere Ergänzung zu erhalten. Es handelte sich um einen Ring, gefertigt aus einem Westenknopf aus der Saphirgarnitur August des Starken.
Der Knopf war in den Jahre um 1720 in der Werkstatt von Johann Melchior Dinglinger in Dresden entstanden und fasste einen großen Saphir in Gold mit einer Entourage aus Diamanten in Silberfassungen. Bis 1924 gehörte er zu den Ausstellungsstücken des Grünen Gewölbes. In diesem Jahr jedoch erhielt das Haus Wettin eine Auswahl von kostbaren Objekten als Teil der sog. „Fürstenabfindung“ für den Verlust des Königreichs Sachsen zugesprochen. Darunter waren auch einhundert mit Diamanten und Edelsteinen besetzte Knöpfe aus den verschiedenen Juwelen-Garnituren des berühmten Vorfahren.
Die Wettiner begannen umgehend mit dem Verkauf der Erbstücke ihrer Familie und der Knopf gelangte so aus dem Besitz des letzten Königs von Sachsen an Helene Bechstein (1876–1951) aus der Familie der Berliner Klavierfabrikanten. Sie ließ den Knopf zum Ring ergänzen. Die Ringschiene aus Gold war somit seit 100 Jahren Teil der Geschichte des Schmuckstückes und erzählte mit vom Weg, welchen der Knopf zurückgelegt hatte. Wir konnten den Ring in eine bedeutende englische Sammlung vermitteln, wo er für die kommenden Generationen verwahrt wird.
Aber es sind nicht nur die spektakulären Schmuckstücke, über die ich mich freue. Genauso führen auch die kleinen, aber gut gemachten Dinge vor Augen, mit welcher Sorgfalt die Handwerker vorangegangener Generationen ihre Arbeiten umgesetzt haben und mit welcher Feinheit und Perfektion manche Schmuckstücke entworfen sind. Schöne Diamanten in alten, heute nicht mehr gebräuchlichen Schliffen zum Beispiel, wie dem klassischen Altschliff oder weit älteren Peruzzi- oder Mazarinschliffen, wirken oft individueller und weniger hart als moderne Brillantschliffe und gefallen mir deshalb besonders gut. Edelsteine aus berühmten oder längst versiegten Minen zu entdecken, wie Rubine aus Burma oder Saphire aus Kaschmir, sind Glücksmomente im Alltag eines Antikschmuckhändlers.
Doch auch alte Handwerkstechniken, die heute größtenteils verloren sind, begeistern mich, wie das Gestalten mit Millegriffes oder das effektreiche Fassen von Diamanten in Silber auf einer Unterlage aus Gold oder die Verwendung von farbenfrohen Emaillierungen auf guillochiertem Grund. In all diesen Gestaltungselementen steckt die Liebe zum Detail, die antike Schmuckstücke so besonders macht. So können auch erschwingliche Schmuckstücke wunderbare Geschichten erzählen: Wer ihnen zuhört wird zur Kuratorin oder zum Bewahrer eines Stücks Geschichte. Denn gute Qualität muss bei antikem Schmuck nicht immer eine Frage des Preises sein.
Simon Michael Hofer
Mich als Kunsthistoriker interessieren Objekte mit dem Potential zu einer spannenden Geschichte, die über die reinen Informationen zum Material und den Karatgewichten hinausgeht. Wo ist ein Schmuckstück entstanden? Warum sieht es aus, wie es aussieht und vermittelt die Wahl der verwendeten Edelsteine eine zusätzliche Bedeutungsebene? Diesen Fragen nachzugehen ist unsere tägliche Aufgabe und Herausforderung – und zugleich eine große Freude!